Ruhrfestspiele: Theater auf dem Fundament der Geschichte

Ein Journal von Kulturjournalistin Mareike Graepel
Nur ein paar Tage dauerten die Ruhrfestspiele in ihren Anfängen, über die Jahre sind sie gewachsen, haben sich ausgedehnt und gestreckt in alle Dimensionen – zeitlich in die Länge, dramaturgisch in aufregende Höhen, menschlich in die gesamte Breite der Gesellschaft.
Auch architektonisch und geographisch haben sich die Ruhrfestspiele entwickelt: Ein Theatergebäude auf dem Grünen Hügel wird zur Heimat eines Festivals, das von dort in die Stadt und die Region strahlt, ins Land und in die Welt. Neue Spielorte eröffnen neue Möglichkeiten, Gewohntes wird neu besetzt, Traditionelles gefeiert, Modernes bestaunt. Verschiedene Intendanzen bringen unterschiedliche Impulse. Das Publikum wächst mit und an den Ruhrfestspielen, wird vielfältiger, es lobt, es kritisiert. Was wäre Theater ohne Gäste? Was wäre das Leben ohne Theater?
Chronologie der Ruhrfestspiele 1946 bis heute
Chronologie
1946/1947
Als im kalten Nachkriegswinter die Hamburger Theater von der Schließung bedroht waren, weil ihnen die Heizmittel fehlten, fuhren der Verwaltungsdirektor der Hamburger Theater Otto Burrmeister und der Betriebsratsvorsitzende der Hamburgischen Staatsoper Karl Rosengart ins Ruhrgebiet: Von der A2 aus sahen sie die Schlote der Zeche König Ludwig 4/5 in Recklinghausen und baten die Bergleute dort um Kohle: Heimlich – an den Besatzungsmächten vorbei – luden die Kumpel die LKW voll und sorgten so für warme Theater in Hamburg.
1947
28. Juni bis 2. Juli
Dankgastspiele der Hamburger Bühnen für die Bergleute in Recklinghausen. Gespielt werden zwei Stücke von Tschechow und jeweils eins von Tolstoi, von Horváth und Donizetti sowie „Figaros Hochzeit“ von Mozart.
1948
5. bis 18. Juni
Die Ruhrfestspiele finden in Europa und der Welt Beachtung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Stadt Recklinghausen gründen zu gleichen Teilen die „Gesellschaft zur Durchführung der Ruhr-Festspiele mbH“. Künstlerischer Leiter ist Otto Burrmeister, der Kulturreferent des DGB Düsseldorf und ehemaliger Verwaltungsdirektor des Schauspielhauses in Hamburg.
Die Ruhrfestspiele sind in Recklinghausen zu Hause, und schauen immer auch auf das kulturelle und politische Weltgeschehen. In diesem Journal-Beitrag gibt es einen Blick in die Geschichte eines der größten Theaterfestivals Europas, Gespräche mit Mitarbeitenden, Zuschauenden und Ehemaligen sowie eine kurze Darstellung der programmatischen Ideen hinter den Programmen der letzten sieben Jahrzehnte: Solidarität, Austausch, Internationalität.

Solidarität mit den Recklinghäuser Bergleuten
Aufgrund der Ursprünge der Ruhrfestspiele solidarisieren sich die Mitwirkenden der Festspielinszenierungen vielfältig mit den Recklinghäuser Bergleuten, oft mittels einer Grubenfahrt.

What Is the City but the People?
Ruhrfestspiele 2019

The Prisoner
Text und Regie: Peter Brook und Marie-Hélène Estienne, Koproduktion mit dem Théâtre des Bouffes du Nord Paris, Deutschlandpremiere bei den Ruhrfestspielen 2019