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Rückblick, Augenblick, Ausblick: Stellungnahme von Intendant Olaf Kröck zum Ende des Steinkohlenbergbaus

19.12.2018

„Kohle für Kunst, Kunst für Kohle.“ In diesem kurzen Satz verbirgt sich ein ganzer Gründungsmythos, der einmalig in der europäischen Kunst- und Theatergeschichte ist: Bergleute der Zeche König Ludwig in Recklinghausen schmuggelten Kohle im Kältewinter 1946/47 als Brennstoff für die ausgekühlten Theatersäle in Hamburg. Ein Jahr später bedankten sich die hanseatischen Künstler für die Rettung ihrer Theater mit einer Programmauswahl ihres Repertoires bei den Recklinghäuser Kumpels. Fortan finden seit nunmehr 72 Jahren ab dem 1. Mai die Ruhrfestspiele in Recklinghausen statt. Heute sind sie nicht nur das älteste, sondern auch eines der größten und bedeutendsten Theaterfestivals Europas.

Im Augenblick der Gründung der Ruhrfestspiele hat sich die viel beschworene Solidarität, eine Kerntugend der Bergleute, in das Manifest eines Theaterfestivals eingeschrieben. Diese Tugend, die heute wichtiger denn je für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft ist, muss damit auch nach Ende des Steinkohlenbergbaus für die Zukunft der Ruhrfestspiele Mahnung und Ansporn sein.

Am 21. Dezember 2018 geht eine Zeit zu Ende. Eine Zeit, die nicht nur für die Gründung eines Theaterfestivals verantwortlich ist, sondern für die Entstehung eines der größten urbanen Ballungszentren Europas überhaupt. Dieser urbane Raum ist seit Beginn des Bergbaus ein kultureller Schmelztiegel, denn er war von Anfang an ein Ort der Migration und damit ein Ort des Zusammenlebens von Menschen verschiedenster Herkünfte und Kulturen. Hier hat sich die Bereitschaft zur Solidarität immer wieder aufs Neue bewiesen. Bei aller Wehmut, die das Ende der deutschen Kohleförderung für alle im Bergbau beschäftigten Generationen bedeutet, kann die Region stolz und voller Zuversicht in die eigene Kraft und Gestaltungsfähigkeit nach vorne blicken. Denn der „Pott“ hat schon vielfach bewiesen, dass er erfindungsreich, wandlungsfähig und lebenswert ist. Selbstbewusstsein ist geboten.

Die Ruhrfestspiele verneigen sich vor der Leistung und den Werten der Bergleute im Revier. Wir fühlen uns ihrem Erbe und den solidarischen Tugenden verpflichtet. So blicken wir gemeinsam in eine perspektivenreiche Zukunft.

Glück Auf!

Olaf Kröck

Intendant der Ruhrfestspiele